Wie viele digitale Identitäten hat jeder einzelne Mensch? Wir haben im Mai 2021 eine repräsentative Umfrage in Deutschland durchgeführt. Das Ergebnis: schon 50% der Befragten haben mehr als zehn digitale Identitäten, 30% mehr als 20, 5% über 100. Digitale Identitäten sind der Schlüssel zu der digitalen Welt: Wer Streamingdienste nutzt, online einkauft, kommuniziert oder arbeitet, braucht die digitale Identität, um sich auszuweisen, Berechtigungen nachzuweisen oder eigene Vorgänge wiederzufinden. Wer im digitalen Raum agiert, möchte die Identität der Kommunikations- oder Geschäftspartner kennen, mindestens aber das Vertrauen haben, dass das digitale Gegenüber nicht über die eigene Identität täuscht.
Die Sicherheit digitaler Identitäten steht unter Druck: Digitale Identitäten sind eine beliebte Handelsware von Kriminellen, die mit gestohlenen IDs, Passwörtern und Kennnummern arbeiten. Pro Tag werden im Durchschnitt 1,6 Millionen gestohlene Passwörter geleakt. Und die Underground Economy vertreibt große Mengen auf ihren Marktplätzen im Darknet (BKA Bundeslagebild Cybercrime 2020, S. 12).
Sichere digitale Identitäten sind mittlerweile eine Priorität der Digitalisierungspolitik. Die EU-Kommission möchte jeder Bürgerin und jedem Bürger Europas eine sichere digitale Identität bereitstellen. Auch die US-Regierung arbeitet an sicheren digitalen Identitäten, für die USA ein „national security issue“.
Deutschland arbeitet an einem Ökosystem digitaler Identitäten. Die vorhandenen Elemente und Angebote, vom Personalausweis bis hin zu den verschiedenen privaten Anbietern digitaler Identitäten, sollen miteinander verknüpft und in vielfältigem Kontext genutzt werden können. Kontoeröffnung, Hotel-Check-In, Verwaltungsangelegenheiten, Einkäufe oder Reisen – das alles soll mit den Angeboten in dem Ökosystem möglich sein.
Für die praktische Entwicklung und Erprobung digitaler Identitäten in über 100 verschiedenen Anwendungsfeldern hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz das Technologieprogramm „Schaufenster Sichere Digitale Identitäten“ gestartet. Drei Konsortien aus vielfältigen Unternehmen und Behörden arbeiten in verschiedenen Regionen Deutschlands daran, sichere digitale Identitäten zu entwickeln, zu erproben – und zu vernetzen.
Denn am Ende sollen die vielen Projekte alle in dem gemeinsamen Ökosystem aufgehen, das den Menschen in Deutschland einen einfachen, selbstbestimmten Umgang mit ihren digitalen Identitäten erlaubt und erleichtert. Viele übergreifende Fragen sind dazu zu beantworten: Wie passen die einzelnen Angebote zusammen? Wie kann Interoperabilität sichergestellt werden? Welche Standards werden zu Grunde gelegt? Wo müssen Gesetze geändert werden? Wie werden die Geschäftsmodelle in dem Ökosystem funktionieren ? Wer steuert das Gesamtsystem? Wie kann Selbstbestimmung der Nutzerinnen und Nutzer und Akzeptanz der digitalen Angebote erreicht werden?
Hilfestellung bei all diesen Fragen gibt die Begleitforschung „Schaufenster Sichere Digitale Identitäten“, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beauftragt worden ist. Die Begleitforschung ist Herausgeber dieses Informationsangebots und Blogs. Wir unterstützen die Projekte bei der Klärung konkreter und übergreifender Fragen, wir unterstützen das Ministerium bei der Steuerung des Technologieprogramms, wir helfen bei der Weitergabe von Ergebnissen und der öffentlichen Darstellung. Wir, das ist ein Konsortium aus dem Digital Society Institute der ESMT Berlin GmbH, der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und der Nimbus-Technologieberatung. Wir sind Spezialisten für digitale Identitäten, für ihre Technologie und Rechtsfragen, für Geschäftsmodelle und Anwendungen.
Mit diesem Blog werden wir als Begleitforschung über digitale Identitäten informieren – mit Berichten aus dem Technologieprogramm „Schaufenster“ und darüber hinaus. Die Autorinnen und Autoren kommen aus der Begleitforschung und den Projekten. Auch Gastautoren sind herzlich willkommen!
Wir freuen uns auf die Debatte und Ihr Feedback!
Martin Schallbruch
Leiter der Begleitforschung